Montag, 2. Januar 2012

Heiko Idensen zu Kollaboration und online-Texten

Soeben ist Heiko Idensen als Twitterfollower zu mir gestoßen, aus dessen Netz- Kunst-Wörter-Buch einige Texte meiner Meinung nach sehr gut zu unserem Kurs Workplacelearning passen:

Das Wissenschaftsverständnis hat sich angesichts der postmodernen Informationstechnologien von einem passiven deskriptiven Paradigma (Relation zur Natur, Repräsentation von Fakten, Entdeckungen von ,Geheimnissen` durch geniale Einzelwissenschaftler) zu einem konstruktivistischen Ansatz hin entwickelt: Hier stehen die Prozesse und Operationen im Vordergrund, durch die Erkenntnisse überhaupt erst erzeugt werden. Diese Prozesse der Wissenserzeugung sind von vornherein als ein kollaboratives Netzwerk angelegt; komplexe Forschungen können nur noch im teamwork[31] vollzogen werden. (H. Idensen: Netzliteratur. Lexikon #51): Ein Blick etwa in physikalische Forschungsliteratur zeigt Teams von mehr als 2000 WissenschaftlerInnen, die über Jahrzehnte zusammenarbeiten. Selbst bei einer Dissertation in einem solchen Arbeitskontext tauchen dann etwa die Namen von über 500 ,Mitautoren` (in alphabetischer Reihenfolge) auf, so dass - trotz der restriktiven Regeln des zunftartig organisierten Wissenschaftsbetriebs - der einzelne Forscher ganz deutlich als Knoten in einem Geflecht von Querbeziehungen positioniert wird. Der Konzeption des WWW-Standards am CERN lag u.a. der Wunsch und die Notwendigkeit der Entwicklung eines einfachen Austauschformats für wissenschaftliche Texte im Netz zugrunde.

"Es gibt vier Arten, ein Buch zu machen. Man kann Fremdes schreiben, ohne etwas hinzuzufügen oder zu verändern, dann ist man ein Schreiber (scriptor). Man kann Fremdes schreiben und etwas hinzufügen, das nicht von einem selbst kommt, dann ist man ein Kompilator (compilator). Man kann auch schreiben, was von anderen und von einem selbst kommt, aber doch hauptsächlich das eines anderen, dem man das Eigene zur Erklärung beifügt, und dann ist man ein Kommentator (commentator), aber nicht ein Autor. Man kann auch Eigenes und Fremdes schreiben, aber das Eigene als Hauptsache und das Fremde zur Bekräftigung beifügen, und dann muss man als Autor (auctor) bezeichnet werden."[29] ( Illich, Ivan: Im Weinberg des Textes. Als das moderne Schriftbild entstand. Ein Kommentar zu Hugos "Didascalicion", Frankfurt am Main 1991, OT: L'Ere du livre, Paris 1990, S. 112) [31]

Wenn ich meinen Beitrag in das Schema einordnen soll: Scriptor bin ich sicher nicht, sondern Copy&Paster, aber auch ein wenig Kommentator, indem ich einen Zusammenhang anzudeuten versuche.

Ein Twitterhinweis von H. Idensen zu Social Reading

2 Kommentare:

  1. @Fontanefan HiHiHi vom alten "Netz-Kunst-Wörter-Buch" (... so war tatsächlich der Titel damals, in wilder Anspielung auf Enzyklopädien und nicht-lineare Schreibweisen :- ) zum Workplacelearning - das ist wirklich mal eine schöne Verbindung!
    Mit welchem Suchbegriff bist Du denn auf den alten Text gestossen?
    Habe gerade gedacht, ich müsste mal einige Netz-Kunst / Netz-Literatur-Texte aus den 90er Jahren als ebook-recyclen, damit sie auch an die "neue Kommentar" und "Sharing"-Kultur des Social-Webs (Stichwort "Social Reading" angeschlossen werden können ...
    .. umso schöner, wenn ein solcher Links durch einen "menschlichen Leser" gelegt wird :-)
    http://bit.ly/iscoop38

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  2. @Heiko: Dank für die Verbesserung!
    Ich folgte - wenn ich mich recht erinnere - einem Piepsen (alias: Tweet) von dir.

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